- Photosynthese: Strukturen und Prozesse
- Photosynthese: Strukturen und ProzesseMit der oxygenen Photosynthese entwickelten die Cyanobakterien einen Prozess, bei dem Sauerstoff freigesetzt wird. Die große Bedeutung der Photosynthese für das Leben liegt darüber hinaus in ihrer Schlüsselfunktion für die Ernährung. Sie ist der wichtigste Prozess in der Nahrungskette aller Lebewesen. Die Pflanzen nutzen durch sie die Lichtenergie von der Sonne unmittelbar zur Bildung von Kohlenhydraten aus Wasser und Kohlendioxid. Die Tiere, die über eine derartige Fähigkeit nicht verfügen, leben mittelbar von ihr, indem sie die von den Pflanzen aufgebauten Kohlenhydrate als Energieträger in ihren Stoffwechsel aufnehmen.Strukturen und ProzesseDie Reaktionen und Vorgänge, die bei der Photosynthese ablaufen, sind außerordentlich kompliziert; wir wollen uns deshalb auf eine stark vereinfachte schematische Darstellung beschränken. Bei den grünen Pflanzen findet die Photosynthese in den Chloroplasten statt, Organellen im Innern der Pflanzenzellen. Der dabei ablaufende Gesamtprozess lässt sich in eine Lichtreaktion — so genannt, weil sie nur bei Licht stattfinden kann — und eine Dunkelreaktion gliedern. Die Lichtreaktion findet in zwei Proteinkomplexen statt, die als Photosystem I und Photosystem II bezeichnet werden. Das Photosystem I geht vermutlich auf die Grünen Schwefelbakterien zurück, das Photosystem II auf die Purpurbakterien. Die Photosysteme befinden sich in den Membranen der Thylakoide, die in den Chloroplasten schwimmen und deren Aussehen an Stapel leerer Säcke erinnert (griechisch thýlakos »Sack«). Sie enthalten grünes Chlorophyll als Pigment für die Lichtabsorption sowie als Hilfspigmente gelbe Carotinoide. Die andere Teilreaktion, die Dunkelreaktion, läuft gewöhnlich parallel zur Lichtreaktion ab, kann für kurze Zeit aber auch ohne Licht stattfinden. Die für sie benötigten Enzyme und Kohlenhydrate sind im Stroma, dem Grundmaterial des Innenraums der Chloroplasten, enthalten.Als Energiequelle für die Photosynthese dient die Lichtstrahlung der Sonne. Die Pflanzen absorbieren Licht und speichern dessen Energie in chemischer Form. Das grüne Chlorophyll und die gelben Carotinoide absorbieren besonders gut im blauen und im roten Spektralbereich des Lichts (bei Wellenlängen um 430 beziehungsweise um 680 Nanometer). Die Energie hν der absorbierten Photonen, der Energiequanten des Lichts, wird zur elektrischen Ladungstrennung in einem Chlorophyll des Photosystems II genutzt (ν ist die Strahlungsfrequenz, h das Planck'sche Wirkungsquantum). Das heißt, das Chlorophyll wird durch die absorbierte Energie so stark angeregt, dass es durch Abspaltung eines Elektrons zu einem positv geladenen Ion wird. In diesem Zustand ist das Chlorophyll jedoch instabil und es benötigt daher wieder ein Elektron, um in den stabilen Ausgangszustand zurückzukehren. Dieses Elektron entzieht das Chlorophyll dem Wasser, das dadurch gespalten wird. Bei diesem Prozess gelangen Protonen — positiv geladene Wasserstoffionen (H+) — in den Thylakoid-Innenraum, und Sauerstoff wird an die Atmosphäre abgegeben.Zwei weitere Funktionselemente, ein Energiespeicher und ein Protonenträger, die beide für die Bindung des Kohlendioxids in der Pflanze nötig sind, komplettieren unser einfaches Schema der Photosynthese. Als universeller biologischer Energiespeicher dient das Molekül Adenosintriphosphat (ATP), nicht nur bei der Photosynthese, sondern auch bei sehr vielen andern Lebensprozessen. So wird beispielsweise bei der Proteinbiosynthese des Bakteriums Escherichia coli pro Sekunde die Energie von etwa 2 Millionen ATP-Molekülen verbraucht. Man kann die Energiespeicher-Funktion des ATP mit der Funktion einer wieder aufladbaren Batterie vergleichen: Das ATP wird während der Dunkelreaktion entladen und erhält durch die Lichtreaktion seine Energie zurück.Als Protonenträger dient das Molekül NADP (Nicotinsäureamid-Adenindinucleotid-Phosphat), ein Coenzym, mit seiner oxidierten Form NADP+ und seiner reduzierten Form NADPH. Es wirkt als Träger von Protonen (H+) nach der Reaktionsgleichung NADP+ + 2 H+ + 2 e- ⇌ NADPH + H+ (der Doppelpfeil bedeutet, dass die chemische Reaktion sowohl nach rechts als auch nach links verlaufen kann; e- ist das Symbol für das Elektron).Das NADPH wird im Photosystem I gebildet (dieses wurde als Erstes entdeckt, daher die etwas verwirrende Bezeichnung). Auch in diesem Photosystem wird durch die Absorption von Licht das Chlorophyll so hoch angeregt, dass es wieder zu einer elektrischen Ladungstrennung kommt. Mithilfe des dabei frei werdenden Elektrons wird unter gleichzeitiger Aufnahme eines Protons aus dem Stroma über einige Zwischenstufen das positiv geladene NADP+ zu NADPH reduziert. Das elektrisch geladene Chlorophyll-Molekül des Photosystems I wird in den Ausgangszustand zurückversetzt, indem das reduzierte Molekül, das zum Schluss der Reaktionen im Photosystem II vorliegt, ein anderes Molekül reduziert, dieses ein nächstes, und so fort. Die auf diese Weise gebildete »Elektronentransport-Kette« aus verschiedenen Molekülen, die im Verlauf der Reaktion nacheinander reduziert und oxidiert werden (daher auch als Redoxkette bezeichnet), liegt zwischen den Photosystemen II und I. Sie führt dem geladenen Chlorophyll-Molekül des Photosystems I ein Elektron zu und bringt es so in den Ausgangszustand zurück. Dieses Elektron stammt letztlich aus der Wasserspaltung.Die Elektronentransport-Kette ist auch wichtig für die Bildung von ATP. Sie transportiert nämlich nicht nur Elektronen, sondern auch Protonen aus dem Stroma in den Thylakoid-Innenraum. Protonen werden sowohl bei der Wasserspaltung in das Innere der Thylakoide abgegeben als auch durch ein Molekül der Elektronentransport-Kette. Anderseits gehen durch die Reduktion des NADP+ Protonen im Stroma verloren. In der Summe entsteht aber ein Protonengefälle oder Protonengradient zwischen dem Stroma und dem Thylakoid-Innenraum. Dieser Gradient führt unter Mitwirkung eines Enzyms zur Bildung von ATP, nachdem Protonen durch einen speziellen Protonenkanal wieder in das Stroma gelangt sind.Die Verbindungen ATP und NADPH, die Endprodukte der Lichtreaktion, werden in der Dunkelreaktion zur Fixierung des Kohlendioxids benötigt. Dieses lagert sich dabei an einen Zucker mit fünf Kohlenstoffatomen, eine Pentose, an und überführt ihn dadurch in eine Hexose, einen Zucker mit sechs Kohlenstoffatomen. Das NADPH reduziert bei dieser Reaktion durch Abgabe eines Protons das Kohlendioxid, während das ATP die nötige Energie liefert. Der ganze Vorgang lässt sich durch folgende Reaktionsgleichung darstellen:Die Hexose C6H12O6 (Glucose oder Traubenzucker) ist die Grundsubstanz für den Aufbau anderer Kohlenhydrate wie Stärke und Cellulose, der sich ebenfalls in den Chloroplasten abspielt (hν über dem Reaktionspfeil bedeutet, dass die Reaktion unter Einwirkung von Licht abläuft).Die Licht- und Dunkelreaktionen lassen sich in den beiden folgenden Reaktionsgleichungen (1) und (2) zusammenfassen:(1)(2)Als deren Summe ergibt sich:Wie Gleichung (1) zeigt, stammt der an die Luft abgegebene Sauerstoff aus dem Wasser und nicht, wie man früher annahm, aus dem Kohlendioxid. Das CO2 wird bei der Photosynthese nicht gespalten, sondern ganz in die Kohlenhydrate eingebaut. Die dafür erforderliche Energie stammt von der Sonne.Verbrauch und Freisetzung von LuftsauerstoffWie groß ist der Umsatz an Kohlendioxid, wie groß sind die Freisetzungsrate von Luftsauerstoff und die Einbaurate des Kohlenstoffs in andere organische Verbindungen? Die Einbaurate von Kohlenstoff durch Photosynthese wurde sorgfältig abgeschätzt. Sie beträgt auf der ganzen Erde etwa 1,29 · 1014 kg pro Jahr. Dies entspricht einem Abbau von 4,73 · 1014 kg CO2 pro Jahr. Für den Gesamtgehalt der Atmosphäre an CO2 von 1,71 · 1015 kg bedeutet das, dass jedes Jahr 27 % des gesamten CO2-Gehalts der Atmosphäre durch Photosynthese verbraucht werden.Aus der gleichmäßigen Entwicklung der Säugetiere in den letzten 200 Millionen Jahren kann geschlossen werden, dass sich der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre von 20,9 % während dieses Zeitraums kaum verändert hat. Es muss daher angenommen werden, dass — ebenfalls während dieses Zeitraums — der Verbrauch von Sauerstoff einerseits und seine Freisetzung durch Photosynthese anderseits immer in einem Gleichgewicht standen. Die Photosynthese führt der Atmosphäre zurzeit jährlich 3,44 · 1014 kg Sauerstoff zu. Würde man sie abschalten, so wäre der Luftsauerstoff nach etwa 3150 Jahren völlig verschwunden. Wegen des ständigen Verbrauchs und der kontinuierlichen Freisetzung von Sauerstoff atmen wir heute demnach nicht mehr von demselben Sauerstoffvorrat wie die Ägypter zur Zeit Ramses III. (1193—1162 v. Chr.).Prof. Dr. Klaus StrobachGrundlegende Informationen finden Sie unter:Leben auf der Erde: Von der Uratmosphäre zu den ersten LebewesenEarly life on earth. Nobel Symposium No. 84, herausgegeben von Stefan Bengtson. New York u. a. 1994.Eigen, Manfred: Stufen zum Leben. Die frühe Evolution im Visier der Molekularbiologie. München u. a. 13.-16. Tausend 1993.Follmann, Hartmut: Chemie und Biochemie der Evolution. Wie und wo entstand das Leben? Heidelberg 1981.Haken, Hermann: Erfolgsgeheimnisse der Natur. Synergetik: Die Lehre vom Zusammenwirken. Taschenbuchausgabe Reinbek 1995.Pflug, Hans D.: Die Spur des Lebens. Paläontologie - chemisch betrachtet. Berlin u. a. 1984.Schidlowski, Manfred: Die Geschichte der Erdatmosphäre, in: Die Erde, herausgegeben von Klaus Germann u. a. Berlin u. a. 1988.
Universal-Lexikon. 2012.